JEDERMANN (STIRBT): Schauspiel trifft Chor

Der Chor Frankfurt mit JEDERMANN Wolfram Koch

Prolog

Ende September 2019 erreicht uns eine Anfrage: „Das Schauspiel Frankfurt sucht für die Produktion ‚Jedermann‘ einen Chor von ca. 16–20 Personen. Möglichst gleichmäßig aufgeteilt auf die Stimmen S/A/T/B.“ Bis zu 15 Proben, einige davon tagsüber. Danach zehn Aufführungen mit der Option der Übernahme in die nächste Spielzeit.

Allgemeine Ratlosigkeit

Wir sind ein gemischter Laienchor aus Frankfurt mit 25 aktiven Sängerinnen und Sängern zwischen 24 und 67 Jahren. Mit Familie und Beruf sind manchmal einzelne Stimmgruppen bei den wöchentlichen Chorproben dünn besetzt. Jedes Jahr veranstalten wir ein Jahreskonzert. Zusätzlich meist in kleinerer Besetzung chorinterne Geburtstage und Jubiläen sowie andere Auftritte.
In den letzten 30 Jahren haben wir ein vielfältiges Repertoire von Renaissance bis zeitgenössischer Musik aufgebaut. Die jährliche Chorfreizeit zu Christi Himmelfahrt ist regelmäßig ausgebucht. Mit glänzenden Augen berichten die Veteranen unter uns vom Auftritt vor der UN in New York oder der Eröffnungszeremonie der Frauen-Fußball-WM. Dann gab es noch einen Gastauftritt in Hamburg, die Bahnhofsviertelnacht, die Nacht der Museen. Auch beim Sommerfestival STOFFEL im Günthersburgpark waren wir die letzten Jahre gern gesehener Gast. Das jährliche Treffen der Frankfurter Chorszene „Chor für Chor“ haben wir ins Leben gerufen. Mit unserem Image-Video schafften wir es in die Endausscheidung des deutschen Chorgipfels 2017.

Wir wagen es

Der Plan ist, mit Ehemaligen und SängerInnen aus dem Chorumfeld ins Rennen zu gehen. Auch der andere Chor unseres Chorleiters – der Regenbogenchor aus Bad Nauheim – soll gefragt werden. Basisdemokratisch stimmt die Mehrheit des Chores dafür, sich zu bewerben. Es finden die ersten Gespräche zwischen Chorleitung und Vorstand mit dem Schauspiel Frankfurt statt. Die Chemie stimmt. Wir proben schon einmal die ausgewählten Lieder. Der Andrang zur Chorprobe ist groß. Wir erhalten von vielen Seiten Unterstützung, wie z. B. auch vom Lehrerkollegium der Hohen Landesschule Hanau. Mit dem „Zero-Footprint“ Internetportal Dudle der TU-Dresden holen wir wirklich alle ins Boot, ihre Verfügbarkeit zu Proben und Auftritten einzutragen. Regisseur Jan Bosse besucht uns auf der Weihnachtsfeier. Mit einem spontanen Ständchen stellen wir unser Können unter Beweis. Er lädt uns im Gegenzug zu seiner aktuellen Inszenierung „Richard III.“ ein.

Wir schaffen das

Anfang Januar starten die Proben im Schauspiel. Wir erhalten Einblick in die Szenen, bei denen wir beteiligt sind, und eine Grundeinweisung vom Regisseur. Das Stück entwickelt sich. Nach jeder Probe übernehmen dann Chorleiter und Vorstand die Mitteilung des Feedbacks und der Änderungen an den Chor. Gut organisiert wird an Raum zum Einsingen mit Klavier, Stellprobe, mkleideräume und alles Weitere gedacht. Auch der Kontakt der Schauspieler und aller Mitwirkenden zum Chor ist humor-, respektvoll und auf Augenhöhe. Nach zwei vollständigen Durchlaufproben und der Generalprobe findet am 31. Januar die Deutschlandpremiere des Stückes statt: ein großer Erfolg. Man hält uns Amateure gelegentlich sogar für Profis. Die Kritiken aus Presse, Rundfunk und Fernsehen werden leidenschaftlich diskutiert. Mittlerweile fiebern wir voller Vorfreude jeder Aufführung entgegen. Das Stück lebt, entwickelt sich weiter und variiert in Nuancen. So wird jede Aufführung zu einem neuen Erlebnis. Zitate aus dem Stück werden zur allgemeinen Erheiterung zu geflügelten Worten unserer Chorproben.

Epilog

Der Chor ist ein Stück mehr zusammengewachsen. Mit diesem Projekt sind unser Selbstvertrauen und Teamgeist gewachsen. Durch professionelle Planung, Koordination und
Durchführung der Chorleitung und des Vorstandes ist das Vertrauen und die Zuversicht in den Erfolg zukünftiger Herausforderungen gestiegen. Vielleicht entschließen sich auch einige unserer Gastsänger zu bleiben.

Andreas Neeb / Werner Schuler